Wenn ein Arbeitnehmer oft/lange krank ist.

  • Wenn ein Arbeitnehmer oft/lange krank ist, sehnt sich irgendwann der Arbeitgeber meist nach Trennung. Doch das ist nicht einfach, sondern ein Hürdenlauf. Schon zu belegen, dass Besserung nicht in Sicht ist, ist echte Fleißarbeit. Doch was genau ist die - notwendige - erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen?


    Für die Wirksamkeit allerkrankheitsbedingter Kündigungen ist jeweils in drei identischen Stufen zu prüfen. Diese sind:
    1. Stufe: Negative Gesundheitsprognose an Hand der objektiven Verhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung,
    2. Stufe: erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen auf Grund der prognostizierten Fehlzeiten und
    3. Stufe: Interessenabwägung.


    Wann sind erheblichen betriebliche Interessen beeinträchtigt?
    Die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (= 2. Stufe) stellt sich im Fall häufiger Kurzerkrankung in der Regel einfacher dar, als etwa bei lang andauernden Erkrankungen.
    In Frage kommen erhebliche Betriebsablaufstörungen oder die erheblicheBeeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers in Betracht.


    Was können Betriebsablaufstörungen sein?
    Häufige Kurzerkrankungen führen gerade in kleineren Betrieben regelmäßig zu beträchtlichen Störungen im Betriebsablauf, da der Arbeitgeber kurzfristig auf Fehlzeiten reagieren muss.
    Betriebsablaufstörungen sind etwa
    der Stillstand der Produktion,
    die zeitliche Verzögerung durch Einsatz von Ersatzkräften,
    die Überlastung der verbliebenen Arbeitnehmer oder
    der Abzug von an anderer Stelle benötigten Arbeitnehmern.


    Als kündigungsrelevant kommen dabei jedoch nur solche betrieblichen Störungen in Betracht, die nicht durch mögliche Überbrückungsmaßnahmenvermieden werden können. Können Ausfälle durch entsprechende Maßnahmen aufgefangen werden, liegt von vornherein keine erhebliche Betriebsablaufstörung vor.


    K.o.-Kriterium: Mögliche Überbrückungsmaßnahmen
    Mögliche Überbrückungsmaßnahmen sind solche Maßnahmen, die in Anbetracht des konkreten Ausfalls des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers ergriffen werden, wie z. B. der
    Einsatz eines Arbeitnehmers aus einer vorgehaltenen Personalreserve oder die
    Einstellung einer Aushilfskraft.


    Kündigung wegen wirtschaftlicher Belastungen des Arbeitgebers durch die Krankheit des Arbeitnehmers
    Selbst wenn durch den Ausfall eines Arbeitnehmers keine erhebliche Betriebsablaufstörung gegeben ist, können die wirtschaftlichen Interessendes Arbeitgebers jedoch gleichwohl derart beeinträchtigt sein, dass ein zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung geeigneter Grund vorliegt.
    Zur Begründung einer erheblichen Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Interessen kann sich der Arbeitgeber regelmäßig etwa auf die durch den Ausfall konkret verursachten
    Entgeltfortzahlungskosten für den erkrankten Arbeitnehmer,
    Kosten der eingesetzten Ersatzkraft oder
    Überstundenvergütungen und -zuschläge der verbleibenden Arbeitnehmer berufen.
    Erh ebliche Entgeltfortzahlungskosten für den ausgefallenen Arbeitnehmer können den Arbeitgeber erheblich belasten, wenn dadurch dasAustauschverhältnis auf unbestimmte Zeit ganz erheblich gestört ist (sog. „erhebliche Äquivalenzstörung“).


    Aspekt der erhebliche Äquivalenzstörung
    Eine erhebliche Äquivalenzstörung liegt nach der Rechtsprechung des BAG vor, wenn in Zukunft mit Entgeltfortzahlungskosten zu rechnen ist, die über die Dauer von 6 Wochen pro Jahr hinausgehen. Insoweit ist es unerheblich, ob einzel- oder tarifvertraglich etwa eine längere Entgeltfortzahlung als nach § 3 EFZG vereinbart ist.



    Persönliche Anmerkung


    Es gab bereits eine Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz bezogen auf eine Untersuchung beim Amtsartz
    hier hat das LAG mit Urteil v. 12.2.2010, 6 Sa 640/09 entschieden das Die Weigerung, sich von einem Amtsarzt begutachten zu lassen, demArbeitnehmer den Job kosten kann .


    Sogar fristlos!
    Nach dem Urteil der Richter ist in diesen Fällen nicht nur eine ordentliche, sondern sogar eine fristlose Kündigung zulässig.
    Das Gericht wies mit seinem Urteil die Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin ab. Sie hatte die Untersuchung durch einen Amtsarzt verweigert. Der Arbeitgeber hatte wegen zunehmender Leistungsunfähigkeit und offensichtlich psychisch bedingter Probleme der Arbeitnehmerin den Amtsarzt eingeschaltet.


    Die Arbeitnehmerin sah dafür jedoch keinen Grund und blieb zwei angesetzten Untersuchungsterminen unentschuldigt fern. Daraufhin sprach der Arbeitgeber die fristlose Kündigung aus. Das Landesarbeitsgericht stufte dies als zulässig ein.

  • Was wenn der AN eine Chronische Erkrankung (z.B. Depression) bei der Einstellung verheimlicht, obwohl er darauf angesprochen wurde. Nun öfter längere Zeit ausfällt ???

  • Laut diesem Urteil denke ich, dass der Arbeitgeber durchaus das Recht hat, den Mitarbeiter zu kündigen...


    Auf jeden Fall kann er den MA zum Amtsarzt schicken, um überprüfen zu lassen, ob die Erkrankung wirklich diese "erhebliche Äquivalenzstörung" auslösen würde.


    Aber ganz ehrlich (und dies ist meine Meinung!), wer eine derartige Erkrankung wissentlich verschweigt obwohl er mehrfach gefragt wird, und mit einer Schusswaffe arbeitet, der sollte gekündigt werden können!
    Der kann eine Gefahr für sich und andere sein!

  • Was wenn der AN eine Chronische Erkrankung (z.B. Depression) bei der Einstellung verheimlicht, obwohl er darauf angesprochen wurde. Nun öfter längere Zeit ausfällt ???

    Die Frage nach Krankheiten darf nach mehrfach bestätigtem Richterrecht wahrheitswidrig beantwortet werden - soweit die Krankheit nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Job steht.
    Ein Waffenträger mit Depressionen dürfte da wohl reinfallen in den beruflichen Zusammenhang genau wie ein stark Gehbehinderter im Fußstreifendienst.


    Aber ansonsten gehen Krankheiten den Chef nichts an, deswegen bekommt er ja auch den Schein ohne Krankheitsschlüssel. Selbst die Schwangerschaft (ja ich weiß, soll angeblich keine Krankheit sein) mit automatischer Unkündbarkeit nach Bekanntgabe darf verschwiegen werden ;o)

  • Na, dafür schickt er die Leute zur arbeitsmedizinischen Vorsorge-Untersuchung. So bekommt er das eine oder andere auch heraus. Wenn auch nicht im Detail, aber wenn der Arbeitnehmer nicht als uneingeschränkt tauglich eingestuft wird, dann ist das für ihn schon ein Warnsignal.


    Soviel zum Thema: Krankheiten gehen den Chef nichts an. Tun sie auch nicht. Aber wenn er will, kann er trotzdem einiges herausfinden.