Hallo Chefin,
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Gibt es so etwas wie eine Aufsichtsbehörde auch bei der Hundeausbildung?
Theoretisch ja. Erst mal sind es die Hundesportverbände, die Prüfungen abnehmen. Aber das ist ja keine Behörde sondern nur eine Instanz, die den Ausbildungsstand überprüft. Behörden kommen dann zum Zug, wenn dein Hund auffällt. Dazu reicht in NRW, dass dein Hund einen anderen angreift oder einem Kaninchen nachsetzt. Hunde die in "gefahrdrohender Weise Menschen angesprungen haben", wobei das subjektive Empfinden eines Menschen als ausschlaggebender Faktor des Begriffs "gefahrdohend" gilt, können mit sofortiger Wirkung vom Ordnungsamt mit vorläufigem Maulkorb und Leinenzwang belegt werden und werden zum Wesenstest zitiert. Der ist in NRW so gestaltet, dass ein Hund mit arttypischem Verteidigungsverhalten aus Meutetrieb den schon nicht bestehen kann. Die erwünschte Fluchtreaktion ist darüber hinaus etwas, das so ganz und gar nicht dem benötigten Verhalten des Hundes entspricht. In Bayern z.B. und den meisten anderen Bundesländern ist das etwas anderes.
Spätestens bei einem Vorfall im Dienst würde, so vermute ich, sich auch die BG einschalten. Aber eine Behörde, die vorab kontrolliert ob eine persönliche Eignung zur Hundeausbildung vorliegt, gibt es nicht. Außer dass man in NRW Listenhunde erst erwerben darf, wenn man einen behördlichen SKN vorzuweisen hat und bei der Kategorie 2 (Hunde ab 40 cm Stockmaß oder 20 kg) diesen SKN in den ersten Monaten nach Anschaffung erwerben muss. Wer vor 2001 Hunde dieser Kategorien hatte, hat Bestandsschutz als Hundehalter.
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Da wir ja kurz das Thema hatten, dass zivilscharfe Hunde im
Sicherheitsdienst gar nicht geführt werden dürfen, frage ich mich, gibt
es eine Stelle, die kontrolliert, ob der Stand der Hundeausbildung auch
dem Bedarf entspricht?
Wie beschrieben, Hundesportvereine und bei Vorfällen Ordnungsamt bzw. BG
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Ein Privatmann braucht doch nicht unbedingt einen Hund, der in den
Beißarm fliegt, oder in anderer Art und Weise als Schutzhund ausgebildet
wurde.
Ich meine damit nur, dass man ja nicht unbedingt eine vierbeinige potentielle "Waffe" kreieren muss, wenn es nicht sein muss.
Das ist auch meine Meinung und eigentlich ziehe ich immer folgenden Vergleich hinzu: Kampfsportarten!
Ob nun Boxen in verschiedenen Varianten oder Budo-Kampfkünste, dort werden Techniken trainiert und gefeilt, der Geist mit dem Körper in Einklang gebracht. Ziel ist der sportliche Wettkampf. Natürliche Aggressionen werden durch Konzentration in ritualisierte Handlungen kanalisiert, psychologisch ausgedrückt. Aggressivität wird dabei eher abgebaut statt gefördert. Ob der Kampfsportler letztendlich seine Fertigkeiten missbraucht um anzugreifen und Leute zu verletzen/töten, ist eine Frage des Charakters und der Psyche, nicht der erlernten Fähigkeiten. Ich kenne Boxer und Kampfsportler, die gehen Konfrontationen am liebsten ganz aus dem Weg und haben eher Angst, sich mal verteidigen zu müssen weil sie wissen, wie schnell eine Abwehrhandlung zu ernsten Verletzungen führt wenn der Gegner mit ihnen nicht vertraut ist.
Schutzdienst ist eine ritualisierte Kampfhandlung, in der die natürliche Aggression eines Hundes auf den Beutearm kanalisiert wird. Das Verfolgen und Beißen selbst muss man einem Hetzjäger und Beutegreifer nicht beibringen. Die Verteidigung seines Hundeführers hat aber damit nicht viel zu tun, denn das ist nicht Beute- sondern Meutetrieb. Der kann bei guten Sporthunden durchaus nur schwach ausgeprägt sein. Der kann bei schlechten Sporthunden sehr gut ausgeprägt sein. Eben eine Charakterfrage. Unter dem Deckmantel des Schutzhundesports wird sicher auch vereinzelt die Aggressivität gefördert, Problem ist dann halt nur dass man schlechte Karten bei Prüfungen hat, denn jeder Sportprüfung ist eine Wesensprobe vorgeschaltet.
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Viele spielen das Thema als "Sport" herunter, aber meiner Meinung nach
sind manche Dinge, die ich bei Ausbildungen sehe, mehr als unnötig.
Zumindest alles, was mit Personen zu tun hat. Stellen und verbellen, und
sobald sich der Typ bewegt, rein in den Arm. Oder in den flüchtenden
Helfer reinfliegen.
Überflüssig vielleicht für das Bewachungsgewerbe oder dem privaten Hundehalter, aber man sollte diesen Sport mal als das sehen, was er tatsächlich ist: eine Selektionsprüfung für Gebrauchseigenschaften. Reduzier das nicht aus den Schutzdienst, denn dieser Sport besteht aus 3 Abteilungen. Über den Sport werden Suchveranlagungen, Unterordnungsbereitschaft, Triebstärke, Belastbarkeit und Selbstsicherheit beurteilt. Und weil ja mehr Hunde diesen Sport machen als in Dienst oder Zucht gebraucht werden, hat man einen Überblick über die genetische Festigung der Zuchtlinien also Familien der für die Zucht selektierten Einzeltiere. In anderen Ländern herrschen andere Zustände, und da braucht man andere Typen Hund und da diese Länder ihre Diensthunde hier in Europa kaufen, muss man auch für deren Bedürfnisse selektieren.
Also gibt es wieder die Kluft zwischen antrainiertem und angeborenen Verhalten. In Deutschland betreiben selbst die Behörden "nur" Aggressionsförderung unter hohen Anforderungen an die Führigkeit und den Gehorsam, mit dem gleichen Hundepotential betreiben Behörden anderer Länder Z.B. Nahost aber auch USA Aggressivitätsförderung unter Vernachlässigung des Gehorsams, einzig und allein darauf ausgerichtet ihren Hundeführern das nackte Leben zu schützen. Dort sterben aber auch deutlich mehr Hunde im Dienst.
Hoffentlich ist dieser FB-Link aufrufbar Israeldogs
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Denn meiner Meinung nach wird dann der Gehorsam umso wichtiger und bedeutender, weil so ein Hund auf Angriff trainiert wurde.
Jetzt mal genau nachgedacht: wenn dieses Nachschicken tatsächlich ein Training auf Angriff wäre, warum sollte der Hund ausgerechnet in die härteste, uneffektiveste Stelle beißen? Ein Hund der auf Angriff trainiert wird, geht überall hin wo er gelernt hat, sein Opfer schnell flachzulegen und das sind Beine, Weichteile, Rücken. Natürlich ist der Gehorsam wichtig, aber in dem Moment wo der Hund einen Hetzärmel nicht loslässt hat das den gleichen Stellenwert wie ein Bällchen nicht abgeben zu wollen. Maßgeblich ist der Gehorsam zuhause und im Dienst. Wenn mein Hund eine Zivilperson fixiert, die sich auffällig verhält, ich aber das Verhalten richtig einordne und erkenne, dass er nur seiner Freundin zuwinkt, muss ICH die Situation über den Gehorsam klären indem ich ihn abstelle. Die Kommandos hat der Hund natürlich auch sportlich konditioniert bekommen beim herantreten in der Bewachung, deshalb ist es für mich einfach das einzufordern. Aber wie soll ich meinen Hund wie im Sport jemanden nachschicken können? Der kommt zwar da an, springt aber möglicherweise ins Leere weil er den Ärmel als konditionierte Angriffsfläche nicht findet.
Ergo: das muss man üben. Zivilschutzdienst ist aber verboten. Nicht verboten ist, simulierte Überfälle zu trainieren auf Leinendistanz, um den Gehorsam im Ernstfall zu erarbeiten.
Mal ein Beispiel nebenher: Meine Omi (=älteste Hündin) hat schon immer Leute auf Distanz gehalten, war aber auf dem Hundeplatz freundlich zu jedermann. Über 9 Jahre war sie bei ihrer letzten Sportprüfung, und nun trainiert sie in unserer Trainingsgemeinschaft für Diensthunde auf einem Hundeplatz für die DGPO. Damit tut sie sich mehr als schwer, sie ist so im Sportmodus dass sie aus dem Beuteverhalten gar nicht herauskommt. Im Objekt ist sie ein anderer Hund. Nun versuchen wir krampfhaft, ihr als Beute die Vollschutzjacke schmackhaft zu machen. Nun haben wir sie wenigstens so weit dass sie den linken Ärmel der Jacke, da wo früher der Ärmel war, greift. Auf dem Hundeplatz zeigt sie eine komplett andere Persönlichkeit und so geht es vielen Hunden, die dual geführt werden. Sie weiß eben, dass mir dort keine Gefahr droht. Ich sehe das nicht unbedingt als Schwäche.
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Aber können das alle Privatleute?
Nein, können sie nicht. Auch das ist eine Frage des Charakters. Manchen ist die eigene Profilneurose eben wichtiger als das Wissen um seine Rechte und Pflichten, manche haben einfach nicht das Talent sich in eine fremde Art einzufühlen, manche haben Eigenschaften die ihnen im Weg stehen, sich Wissen anzueignen und umzusetzen.
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Mir wäre am liebsten, wenn man auch Leute vom Platz wegschicken würde,
die mit ihrem Hund kommen und sagen: so, ich will, dass mein Hund in den
Ärmel fliegt oder auf Kommando Leute fängt. Da müsste die Antwort sein:
ohne Grund ganz bestimmt nicht!
Ich kenne mittlerweile keinen Verein mehr, in dem ein Hund ohne Grundgehorsam oder ein Hundeführer ohne Prüfungsambitionen am Schutzdienst oder an Triebförderungsübungen teilnehmen darf. Liegt aber vielleicht auch daran, dass NRW das härteste Landeshundegesetz hat.
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Wie gesagt, gibt es eine Art Ausbildungs (vor-) Kontrolle, wo jemand
entscheidet, ob ein Hund einen gewissen Ausbildungsstand überhaupt
braucht?
Nein, leider nur begrenzt. Wobei ich es bei dienstlich geführten Privathunden noch viel verwerflicher finde als im Schutzhundesport, wo eine Begleithundeprüfung mit Verhaltenstest vorgeschaltet ist. In meiner Trainingsgruppe zum Beispiel gibt es ohne BH kein Schutzdiensttraining, Junghunde dürfen sobald der Grundgehorsam stimmt ein wenig Beutespiel mit einem Keilkissen machen. Dabei wird sogar schon das Aus und Abstellen spielerisch konditioniert.
Manche Firmen haben einen Sachkundigen nach BGV C7, einen Hundeführerausbilder. Dieser entscheidet wohl idR über Eignung des Hundeführers und des Hundes für den Einsatz. Zu dieser Ausbildung bin ich angemeldet. Welche Pläne damit verbunden sind weiß ich nicht, ich fühle mich halt nur geehrt dass die mich dafür ausgesucht haben und so viel Geld in mich investieren und will die Erwartungen erfüllen, welche das auch sein mögen.
Ich hoffe meine Ausführungen haben deine Fragen soweit klären können
LG Taarna