Arbeitszeugnisse

  • Selbst geschriebene Arbeitszeugnisse


    Immer mehr Arbeitnehmer schreiben sich ihre Arbeitszeugnisse selbst. Was auf den ersten Blick von Vorteil scheint, birgt allerdings Risiken. Denn nur Profis sind mit den Feinheiten von Beurteilungen vertraut.


    Das h?¤tte sich Peer Andersen* nicht tr?¤umen lassen: Gerade hatte der leitende Angestellte seinen Job an den Nagel geh?¤ngt. Und weil er mit seinem endg??ltigen Fortgang wartete, bis ein Nachfolger gefunden war, gelang ihm sogar das seltene Kunstst??ck, sich im Guten von seinem Arbeitgeber zu trennen. Der wiederum hatte ihm eine abschlie??ende Beurteilung mit der Gesamtnote "sehr gut" in Aussicht gestellt. Als Andersen jedoch vom Vorgesetzten ein Zeugnis erbat, l?¤chelte der Chef: "Schreib Dir das doch selbst. Du wei??t am besten, was Du gemacht hast."


    Die Zahl selbst geschriebener Zeugnisse nimmt zu


    Glaubt man Thomas Redekop von der Personalmanagement Service GbR (PMS) in Berlin, nimmt die Anzahl selbst geschriebener Arbeitszeugnisse stetig zu. "Das geht einher mit flacher werdenden Hierarchien", erl?¤utert Redekop. "War es vor Jahren noch undenkbar, dass man dem Personalchef ein vorbereitetes Arbeitszeugnis zur Unterschrift vorlegte, so drehen Arbeitgeber nun immer h?¤ufiger den Spie?? herum und erbitten einen eigenen Entwurf."


    Obgleich diese Praxis aber durchaus umstritten ist, ist es rein rechtlich kein Problem, sich selbst zu beurteilen. "Das selbst geschriebene Zeugnis bleibt immer nur ein Entwurf", erkl?¤rt der Beurteilungs-Fachmann: "Letztlich gilt nur das vom Arbeitgeber unterschriebene Papier - und daf??r ist allein der Unterschreibende verantwortlich."


    Zahlreiche Fallen lauern


    Obwohl man die Chance f??r ein selbst erstelltes Zeugnis unbedingt nutzen sollte, weil dann eine l??ckenlose Beschreibung der geleisteten Arbeit garantiert ist, ist auch Vorsicht geboten. Denn bei der Formulierung lauern zahlreiche Fallen, die Laien kaum erkennen. Wer mit den Eigenheiten der Zeugnissprache nicht im Detail vertraut ist, ger?¤t auf dem schmalen Grad zwischen Eigenlob und Selbstkritik unweigerlich ins Stolpern - ohne es zu merken. "Das Ergebnis ist ein unglaubw??rdiges Dilettantenzeugnis", erl?¤utert Redekop. Er muss es wissen: Seine Personalmanagement Service Agentur pr??ft nicht nur fertige Zeugnisse auf Fehlerhaftigkeit, sondern formuliert auch f??r Arbeitgeber und Arbeitnehmer individuell zugeschnittene Zeugnisse.


    Als oberstes Gebot gilt: Das Zeugnis muss wahr sein. Es darf das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht behindern. Dieser grunds?¤tzliche Zweck der Zeugniserteilung ergibt sich aus der F??rsorgepflicht des Arbeitgebers und bedingt, dass das Zeugnis von Wohlwollen getragen sein muss. Unz?¤hlige Urteile des Bundesarbeitsgerichts haben mittlerweile einen Standard geschaffen, der nach Aussage von Thomas Redekop im gesamten deutschsprachigen Raum gilt. So muss ein Zeugnis nicht nur in ?¤u??erlich ordentlicher Form abgefasst werden, sondern sollte folgendem Aufbau entsprechen:
    â?? ??berschrift
    â?? Bezeichnung der Zeugnisart (Zwischenzeugnis, Qualifiziertes Zeugnis)
    â?? Einleitungssatz
    â?? Personalien des Mitarbeiters sowie die Dauer des Arbeitsverh?¤ltnisses
    â?? Aufgabenbeschreibung
    â?? Position des Mitarbeiters und Beschreibung seiner Kompetenzen
    â?? Leistungsbeurteilung
    â?? Arbeitsweise, Arbeitsleistung und Arbeitserfolge des Mitarbeiters
    â?? Verhaltensbeurteilung
    â?? Verhalten zu Vorgesetzten, Kollegen und gegebenenfalls zu Kunden
    â?? Schlussabsatz
    â?? Nur wenn vom Arbeitnehmer gew??nscht: Grund f??r das Ende des Arbeitsverh?¤ltnisses.
    â?? Dankes- und Bedauernsformel
    Negative Beurteilungen sind unzul?¤ssig


    Negative Beurteilungen sind unzul?¤ssig. Ebenso wenig ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, dem Scheidenden gute W??nsche f??r seine berufliche und private Zukunft mitzugeben. Zu beiden F?¤llen gibt es verschiedene Gerichtsurteile, anhand derer auch die "Bestimmungen f??r Arbeitszeugnisse in der Wirtschaft" modifiziert werden. Diese legen folgende thematische Tabus fest:
    â?? Gehalt
    â?? K??ndigungsgr??nde
    â?? Vorstrafen
    â?? Abmahnungen
    â?? Krankheiten/Fehlzeiten
    â?? Leistungsabfall
    â?? Alkoholabh?¤ngigkeit
    â?? Behinderungen
    â?? Betriebsratst?¤tigkeit
    â?? Gewerkschaftsengagement
    â?? Parteizugeh??rigkeit
    â?? Religi??ses Engagement
    â?? Nebent?¤tigkeiten/Ehren?¤mter
    â?? Urlaubs- und Fortbildungszeiten
    Da jeder Arbeitnehmer ein Recht auf faire und objektive Beurteilung seiner Arbeit hat, haben Personalchefs mittlerweile eine viel diskutierte, oftmals aber ??bersch?¤tzte "Geheimsprache" mit "Geheimcodes" entwickelt, mit der sie ung??nstige Beurteilungen m??glichst positiv klingen lassen. Auch beim selbstverfassten Dokument sollten bestimmte Redewendungen nicht fehlen. Die Anmerkung "er hat die ihm ??bertragenen Arbeiten stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt" bescheinigt dem Arbeitnehmer zum Beispiel sehr gute Leistungen, die Formulierung "er hat die ihm ??bertragenen Arbeiten zu unserer Zufriedenheit erledigt" weist hingegen auf ausreichende Leistungen hin.


    Die Nullstellentechnik anwenden


    W??rter wie "stets", "au??erordentlich" und "immer" f??llen die so genannten Nullstellen in einem Zeugnis. Stehen sie an bestimmten Stellen nicht, bleibt die Nullstelle unbesetzt und die Leistungsbewertung sinkt in ihrem Niveau.


    Doch selbst ein Zeugnis mit den richtigen "Geheimcodes" kann sich ung??nstig auswirken. Zum Beispiel, wenn etwa nur banale und selbstverst?¤ndliche T?¤tigkeiten aufgez?¤hlt werden - das l?¤sst darauf schlie??en, dass sich der Arbeitnehmer nicht besonders engagiert hat. Wer also an seinem eigenen Zeugnis feilt, sollte unbedingt darauf achten, auch Aufgaben aufzuz?¤hlen, die ??ber das Tagesgesch?¤ft hinausgehen.


    Doppelte Verneinung ist eine Abwertung


    Verschl??sselungstechniken erlauben es zudem, negative Urteile zwischen den Zeilen zu ?¤u??ern. W?¤hrend im normalen Sprachgebrauch eine doppelte Verneinung die Aussage verst?¤rkt, bewirkt sie in der Zeugnissprache eine Abwertung. Finger weg also vor Formulierungen wie "in dem Bereich Projektmanagement waren seine Leistungen nicht unerheblich".


    F??r Peer Andersen beispielsweise ist sein selbst erstelltes Zeugnis nicht unbedingt von Vorteil: "Man sieht, dass es mehrfach umgeschrieben und erg?¤nzt wurde, um dessen ??berzeugungskraft zu steigern. Das ist ein erster Hinweis darauf, dass der Beurteilte das Zeugnis selbst verfasst hat", so das Fazit der Zeugnispr??fer. Andersen w?¤re also besser beraten gewesen, h?¤tte er seine eigene Beurteilung mit professioneller Hilfe formuliert, wie Thomas Redekop erl?¤utert: "Wer sich in ungek??ndigter Stellung erfolgreich neu bewirbt, misst seinem Zeugnis keine entscheidende Bedeutung zu. Die Quittung kommt erst bei der ??bern?¤chsten Bewerbung - dann k??nnen unvorteilhafte Formulierungen zu einem echten Problem werden. Und so bleibt ein fehlerhaftes Zeugnis was es ist: eine Karrierebremse mit Langzeitwirkung."


    Qwelle:


    Monster Worldwide Deutschland GmbH,
    Beitrag vom 24.07.2006